Die vorausgegangenen, grundlegenden Eigenschaften von Gemeinschaften und Communities im Alltag sollen in Kombination mit bekannten Definitionen der Begriffe Virtual- und Online-Communities helfen, eine Definition im Sinne dieser Arbeit zu entwickeln. Der Begriff Virtual-Community oder Online-Community wird heute vielfältig verwendet und beschreibt die unterschiedlichsten Ausprägungen von Communities im Internet und deren spezifischen Eigenschaften.
Erstmals wurde der Begriff Online-Communities 1993 durch Howard Rheingold und sein gleichnamiges Buch (englisch: „The Virtual Community“) geprägt, obgleich die Potentiale elektronischer Netzwerke zur Bildung von Online-Gemeinschaften schon viel früher erkannt wurden. So schrieben zwei amerikanische Studenten (Taylor und Licklider) schon Ende der sechziger Jahre in einem Aufsatz am MIT („The computer as communication device“), dass der Computer als dezentrales Kommunikationsmedium genutzt werden wird:
„…in most fields they will consist of geographically seperated members, sometimes grouped in small clusters and sometimes working individually. They will be communities not of common location but of common interest…“*
Die erste erfolgreiche Online-Community, The Well (Whole Earth eLectronic Link), ging 1985 online und wird oft als die „Urmutter“* der Online-Communities bezeichnet. Die Gründer, Larry Brilliant und Stuart Brand, initiierten The Well mit dem Ziel, die Kommunikation der Mitglieder untereinander durch ein gut konzipiertes Konferenzsystem und einen Email-Zugang zu einem geringen Preis zu ermöglichen. In der damaligen Zeit galt dies als absolute Innovation. The Well bot interessierten Menschen aus dem Großraum San Francisco somit die Möglichkeit virtuell miteinander zu kommunizieren und sich auszutauschen. Einer der prominentesten Nutzer von The Well war wohl Howard Rheingold, dem The Well letztlich auch als Grundlage für sein bahnbrechendes Werk diente.
Das Internet, Online-Communities und deren Anwendungen haben sich im Laufe der Zeit stark weiterentwickelt. Dies soll an Hand der nachfolgenden Definitionen verdeutlicht werden:
Howard Rheingold (1993):
„…social aggregations that emerge from the Net when enough people carry on those public discussions long enough, with sufficient human feeling, to form webs of personal relationships in cyberspace.“*
Armstrong und Hagel (1997):
“…but virtual communities are more than just a sociological phenomenon. What starts off as a group drawn together by common interests end up as group with a critical mass of purchasing power, partly thanks the fact that communities allow members to exchange information on such things as a product’s price and quality”*
Schubert (1999):
“Virtuelle Gemeinschaften beschreiben den Zusammenschluss von Individuen oder Organisationen, die gemeinsame Werte und Interessen miteinander teilen und die über längere Zeit mittels elektronischer Medien, orts- und (teilweise auch) zeitgebunden in einem gemeinsamen semantischen Raum (gemeinsame Begriffswelt) kommunizieren”*
Preece (2000):
„…an online community consists of: People, who want to interact socially…, a shared purpose…that provides a reason for the community policies …that guide people’s interactions (and) computer systems, to support and mediate social interaction…“*
Lechner, Schmid (2000):
„A Community is characterized by a common language and world, by common values and interests. The agents are connected via Medium on which they act in roles. “*
Porter (2004):
“an aggregation of individuals or business partners who interact around a shared interest, where the interaction is at least partially supported and/or mediated by technology and guided by some protocols or norms.”*
Owyang, Bernoff, Spivey Overby, Wright (2008):
“An online community is an interactive group of people joined together by a common interest. It’s also one of the most powerful tools a marketer can deploy for customer retention, word of mouth, and customer insight.”*
Foster (2009):
“An online environment where a group of people with similar goals or interests share experiences and build relationships using web tools.”*
Die Abfolge der Definitionen verdeutlicht, dass es in der Literatur zwei Ausprägungsformen bei den Definitionen des Begriffs Online-Community gibt. Einerseits werden spezifische Definitionen angeführt, die letztlich sogar eine spezielle Form einer Online-Community bezeichnen, andererseits gibt es allgemeine Ausführungen, die lediglich das Umfeld einer Online-Community und die Interaktion der Mitglieder miteinander beschreiben.
Im Zuge dieser Arbeit soll aufbauend auf eine allgemeine Definition des Begriffs Online-Communities und dessen Eigenschaften, sowie einer späteren spezifischen Unterteilung von Community-Typen, eine Differenzierung des Begriffs erfolgen.
Frank Mühlenbeck und Klemens Skibicki verwenden im Buch „Community Marketing Management“ eine geeignete allgemeine Definition des Begriffs Community. Sie führen eine Community auf eine Gruppe von Personen zurück die…:
- „in sozialer Interaktion stehen, wobei der Austausch selbst geschaffener Informationen oft den Schwerpunkt darstellt,
- gemeinsame Bindungen, z.B. durch gemeinsame Interessen, Ziele oder Aktivitäten aufweisen
- zumindest teilweise einen gemeinsamen Ort besuchen, der in unserem Fall vorwiegend virtuell, d.h. computergestützt geschaffen ist.“*
Online-Communities erfreuen sich großer Beliebtheit und auch großen Zuwachsraten, stärker als bei ihren realen Vorbildern. Stellt sich die Frage, wie sich Online-Communities trotz ähnlicher Definitionsgrundlage von Communities im realen Leben unterscheiden?
Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, muss man erst einmal verstehen was Online-Communities im Vergleich zu realen Communities für Interessierte so viel attraktiver macht. Dies soll mit Hilfe einer Gegenüberstellung der Eigenschaften von Gemeinschaften (Communities) und Online Communities
geschehen.
Die Darstellung verdeutlicht, dass eine Teilnahme an einer Online-Community im Vergleich zu einer Teilnahme an einer realen Gemeinschaft, mit weniger Eintrittbarrieren verbunden ist. Ob diese Barrieren sozialen, emotionalen oder materiellen Charakter haben, kann in diesem Zusammenhang vernachlässigt werden. Des Weiteren kann ein Community-Teilnehmer durch die internationale Ausrichtung einerseits mehr Menschen erreichen, andererseits auch vom internationalen Kenntnisstand der Community-Mitglieder profitieren. Gerade in Branchen, in denen der Informationsbedarf hoch, aber die vorhandenen nationalen Informationsquellen nicht ausreichend sind, kann die internationale Ausrichtung einer Online-Community von großem Vorteil sein. Reale Gemeinschaften sind zwar, wenn etabliert, meist beständiger als eine Online-Community da die Austrittsbarrieren, bspw. durch soziale Verpflichtung innerhalb der Gemeinschaft, höher sind als in der virtuellen Welt. Unter Einbezug weiterer Aspekte, wie dem zeitlichen Aufwand, der Verantwortung, der zwischenmenschlichen Kommunikation und der Möglichkeit, die Anonymität der eigenen Person zu wahren, bleibt zu sagen, dass Online-Communities auf Grund ihrer, im Vergleich, vorteilhafteren Eigenschaften, Interessierte schneller zu einem Beitritt bewegen können. In vielen Fällen bieten Online-Communities ihren Mitgliedern auch einen höheren Mehrwert, als das reale Pendant.
Der vorausgegangene Vergleich von realen Gemeinschaften und Online-Communities, sowie die Vielzahl der Definitionen rund um den Begriff Online-Community sollen dabei helfen, eine für diese Arbeit geeignete Definition zu entwickeln. Festhalten lassen sich die folgenden…
Definitionskriterien für / von Online-Communities:
- bestehen aus einer Gruppe von Personen.
- sind von sozialer Interaktion der Mitglieder untereinander geprägt.
- haben einen gemeinsamen Interessensschwerpunkt.
- unterstützen den Austausch von Informationen (oder Gütern).
- können soziale Bindungen ermöglichen.
- sind durch einen gemeinsamen Ort gekennzeichnet, der virtuell geschaffen und den Nutzern bereit gestellt wird.
- schaffen ein Zugehörigkeitsgefühl (Wir-Gefühl).
Der Aspekt des Verbundenheitsgrades eines Mitgliedes gegenüber seiner Community gewinnt bei Online-Communities, unter Beachtung des großen Angebots von Partizipationsmöglichkeiten und angebotenen Themengebieten von Online-Communities, eine immer gewichtigere Rolle. Neben einer Unterteilung von kommerziellen und non-kommerziellen Online-Communities zu einem späteren Zeitpunkt, soll die nachfolgende Auflistung bekannter Community-Typen helfen, einen ersten Einblick in die thematische Vielfalt von Online-Communities zu gewinnen. Die ausgewählten Community-Typen werden im Verlauf dieser Arbeit noch eingehender beschrieben.
- Knowledge Communities
- Business Communities
- Corporate Communities
- Brand Communities
- Social Communities
Die grundlegende Begriffsbestimmung für Online-Communities, im Sinne dieser Arbeit, ist gelegt. Es bleibt jedoch festzuhalten, dass Gemeinschaften und Online-Communities, trotz aller Ähnlichkeiten von, nicht als Substituten* gelten. Menschen machen zwar dasselbe im realen Leben, was sie auch in Gemeinschaften tun, aber die reale zwischenmenschlichen Interaktion und das dadurch geschaffene Zugehörigkeits-, also Wir-Gefühl, bspw. in einer Familie, ist virtuell nicht zu ersetzen. Das Verbundenheitsgefühl eines Mitglieds gegenüber den Gemeinschaften oder Online-Communities, in denen er sich bewegt, kann jedoch nach seinem aktuell akutesten Bedürfnis variieren.
Es stellt sich also die Frage: Was zeichnet eine erfolgreiche Online-Community aus?
Quellen (*):
- Online Gemeinschaften als Geschäftsmodell ; Die Definition von „Online-Gemeinschaft“ ; Johannes
Hummel ; Seite 8 - Business Communities ; Kleine Community Geschichte ; Bullinger, Baumann, Fröschle, Mack,
Trunzer und Waltert ; Seite 34 - Online-Gemeinschaften als Geschäftsmodell ; Die Definition von „Online-Gemeinschaft“; Johannes
Hummel ; Seite 11 - Online-Gemeinschaften als Geschäftsmodell ; Die Definition von „Online-Gemeinschaft“; Johannes
Hummel ; Seite 11 - Excerpt: Companies and Communities ; Dawn M. Foster ;
http://fastwonderblog.com/fastwonderfiles/files/Companies_and_Communities_Excerpt.pdf
(letzter Zugriff 10.05.2009) - Comunity Marketing Management ; Frank Mühlenbeck und Klemens Skibicki ; Was ist eine
Comunity? ; Seite 17 - Online-Gemeinschaften als Geschäftsmodell ; Johannes Hummel ; Seite 65